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Nikolay Berdiajew

Schönheit als Aufgabe

Schönheit ist nicht nur das Ziel der Kunst, sondern auch Ziel des Lebens. Und das letzte Ziel ist nicht etwa die Schönheit als Kulturwert, sondern die Schönheit als das Seiende, d.h. Umgestaltung der chaotischen Missgestalt der Welt in kosmische Schönheit. Der Symbolismus und Ästhetizismus haben mit größter Schärfe die Umgestaltung des Lebens zur Schönheit als Aufgabe gestellt. Und ist das Ziel einer Verwandlung des Lebens zur Kunst illusorisch, so ist das Ziel einer Umgestaltung des Lebens dieser Welt in seinsmäßige Schönheit, in Schönheit des Seienden, des Kosmos, mystisch-real.
Der Kosmos ist eben Schönheit als Seiendes. Kosmische Schönheit ist Ziel des Weltenprozesses, - es ist das ein anderes höheres Sein, ein zu erschaffendes Sein.
Die Natur der Schönheit ist ontologisch und kosmisch. Aber die Bestimmungen der Schönheit sind formal und partiell.
In ihrer letzten Wesenheit ist die Schönheit indefinabel; die Schönheit ist ein großes Mysterium.
In das Mysterium der Schönheit muss man eingeweiht sein, und außer denn durch diese Weihe ist sie nicht zu erkennen. Man muss in Schönheit leben, um sie zu erfassen. Das ist auch der Grund, warum alle äußeren und formalen Definitionen der Schönheit in so fataler Weise unzulänglich sind. Aber die letzte Realität der Schönheit ist in dieser Welt nur symbolisch, nur in der Form des Symbols zugänglich. Das reale Innehaben der Schönheit, ohne das Mittel des Symbols, wird bereits der Verklärung dieser Welt zu einem neuen Himmel und zu einer neuen Erde sein. Alsdann wird es keine Kunst geben, kein ästhetisches Erleben im strengen Sinne dieses Wortes, in welchem auf symbolisierte Weise das letzte Sein mittelbar vergegenwärtigt wird.
Der Weg zur Schönheit, als zum Seienden, zum Kosmos, zum neuen Himmel und zur neuen Erde ist ein religiös-schöpferischer Weg.
Es ist das der Eintritt in ein neues Weltenleben. In Schönheit leben - ist das Gebot der neuen schöpferischen Epoche.
Der Schöpfer erwartet vom Geschöpf nicht minder Schönheit als das Gute. Für die Nichterfüllung des Gebots der Schönheit sind höllische Qualen wohl möglich.

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Russischer Schriftsteller und Mystiker, 1874-1948 in „Der Sinn des Schaffens“, Seite 262, erschienen bei J: C: B. Mohr, Tübingen, 1927

 

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