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Brigitta Weiss

Skulpturenspaziergang einer Dichterin  

 

Das Auge des Waldes  

In den Augen des Waldes
sind wir nur Zwerge:
grimmig, grausam, tollkühn -
[Vielleicht weiß das Reh,
wovon ich rede...]
In den Augen des Waldes
sind wir waldblind, waldfremd
und wildfremd geworden
im leuchtenden singenden Grün

Das Auge des Waldes,
erhoben zum Himmel,
schenkt uns nur dann
seinen Augen - Blick,
wenn wir einen Blick
ihm schenken.

Das Auge des Waldes,
ein Wächter, der wacht
über die schweigenden Vöglein...
Warte nur, bis es dich
einsaugt, das Auge,
verzaubert, damit dir
ganz neu und bei Nacht
mit dem Wald ein Gespräch
über Bäume gelingt.

¨

 Wellenpaar

 Wie zwei Wellen
wachsen von entfernten Ufern
wir einander zu:
Ich und Du.
An steile Stellen
stoßen wir, an Steine,
in den Augen Salz und Sand -
nirgends Land.

Leise zerschellen
unsere Gefühle
an den Klippen
der Gedanken,
und wir schwanken
vor den Strudeln
ungestillter Triebe,
wollen Liebe.

Wie zwei Wellen
fühlen von der Strömung
wir uns fortgetragen,
uns zu wagen.

Sieh die hellen
lichtdurchglänzten
Himmel über uns - und wir:
zwei sturmbewegte Flammen,
endlich zusammen
sind wir jetzt eins
mit Herz und Haut und Haar:
ein Wellenpaar.

¨  

Dreifalt - Dreieinigkeit

 

Des Sonnengottes Schwester war Selene,
mondene Göttin aus dem Reich der Nacht.
Einst herrschte sie mit Anmut und mit Macht.
Helios galt wenig in der Erdenszene,
er war der kleine Sonnenbruder nur,
die Muttergöttin Mond stand über ihm
und war in ihrer göttlichen Natur
dreifaltig da, zunächst in Mädchenweiß,
in Unschuld, wandelnd sich zur jungen Frau...
Die Farbe Rot im Mond stand für das Weib,
das sich vermählte und gebar. Der Kreis,
das Dreieck besser, schloß sich mit dem Tod:
Die Todesgöttin mit dem schwarzen Banner,
sie übergab dem Totenreich den Leib.

So zeigt sich groß in der Zusammenschau
die Göttin Mond, sich wandelnd: weiß-rot-schwarz,
Dreifaltigkeit der Luna, der Selene,
die Frühling, Sommer-Herbst und Winter war,
sie, die die Toten führte, die gebar,
die nach dem Totenreich den Morgen brachte
als junge Frühlingsgöttin.

Oh, wie sehne
ich mich nach ihr, die noch so ganz Natur
und Dreiklang war, die Tod und Auferstehn
und das Gebären dreifach in sich trug,
die nach dem Winter neues Licht entfachte.
Wir finden die drei Strahlen ihrer Spur
bis heute, und es ist kein Augenlug,
wenn wir –statt Mann im Mond- die Frau noch sehn.

¨

Dreiheit - Trinity

 

Geist, Leib und Seel sind eins,
und doch gespalten,
so hören wir es schon
von den ganz alten
Gelehrten, Frommen
Weisen, Philosophen...
Die Seele gleicht dem Wasser,
sagt uns Goethe;
er sagt es geistvoll
und in Dichterstrophen.
Im Buch der Christen
kommt der Geist als Taube.

Der Mensch erleidet
Leib- und Seelennöte,
hat Angst,
das Krankheit ihn
des Geists beraube -
Vor der Verzweiflung
hilft ihm Gottesglaube,
sprich: Glaube, Liebe, Hoffnung,
diese drei...
Und wieder
die Magie
der heilgen Zahl!

Die Dreiheit,
ein geheimnisvoller Gral,
den überall wir finden,
auch in Worten,
die Kirchen lieben es,
sie zu verkünden.
Wir lesen, hören sie
an vielen Orten,
und doch klingt
diese Zahl wie Zauberei,
in dieser Welt von uns
nicht zu ergründen.

¨

Zwischen Himmel und Wasser

 

Stählerne
Pflugschar
wendet das Unten
nach oben
und wendet das Oben
nach unten
durchpflügt
das Erdreich
der Vogel
die Pflugschar
die Flugschar
des Himmels

Der Fisch durchpflügt
das Wasser
die Pflugschar
der Meere
Fliegende Fische
Boten zwischen
den Welten
zwischen
Vogel und Fisch
der Mensch
heiliger Sphinx
Vogel-Fisch-Mensch

Die menschliche
Pflugschar
Schöpferatem
eingehaucht
der irdenen Hand
der Künstler
Werkzeug
zwischen den Welten
sein Werk
gespiegelt
zwischen Himmel
und Wasser.

Und mit ihm
die Engelschwingen
die Flügel
der Engel
die göttliche
Pflugschar
die himmliche
Flugschar
nur sichtbar
im wasser-
gespiegelten
Bild.

¨

Vogelmetamorphose

 

Vogel im Raum,
die ausgebreiteten Flügel:
Kamst du im Sinkflug herab,
oder startest du senkrecht
im Aufwind?

Bist du gefesselt am Stein,
in Materie getaucht,
Freund der Lüfte,
oder wandelte nicht
des Künstlers Hand
dich zum Vogel,
zum heiligen Geist,
der Taube,
schwebend,
zum Abflug bereit?

¨

 Weite - Expanse

 

Dehnung des Alls,
klaffendes Gähnen,
Leerräume, Chaos,
der Anfang der Welt.

Dehnung, Expanse,
die Sehnsucht nach
dem Unerreichbaren,
das Sehnen der Liebenden,
unglücklich Liebender,
die Sehnsucht
nach Sehnsucht,
longing for ...

Eine Weite, die sprengt
im innersten Kern,
die heimatlos macht
und wund.

Endlos sich
weitende Räume,
unmenschlicher Raum,
die Weite des Anfangs,
die Weite am Ende -
Alpha und Omega,
es schließt sich
der Kreis.

Endlose Weite,
zerdehnt und zersehnt,
ein Bild ohne Rahmen,
haltlos das Auge, der Blick.

Eine Weite,
die offen macht,
die uns befreit,
und auch
eine endlose Weite,
die waise macht,
ängstigt, entbirgt
und zerstört.

¨

Stahl und Stein  

Das Schwere, das Rauhe,
das Erdverbundene,
das Gewachsene:
ein Standbein, eine Rampe
dem Gestählten, dem Glatten,
dem Glänzenden.

Flügel tragen den Stein,
der Stein
trägt Flügel
nach oben,
ins Schwebende.

Flügel
werden gehalten:
angepflockter Adler.
Der Stein,
der Erdleib,
der irdene Leib-

Und zwei Straßen,
die nirgends beginnen,
die nirgends enden:
Lichtstraßen,
Milchstraßen
ins Jenseits des Steins.

¨

 

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