AktuellesKonzeptKatalogRahmenprogrammSponsoren

 

Stein der Weisheit

Das Schicksal des Menschen hängt von dem Schicksal der Natur ab, vom Schicksal des Kosmos, und nicht vermag er sich davon zu lösen. Der Mensch muss dem Stein seine Seele wiedergeben, das lebendige Wesen des Steines entdecken, um von dessen steinerner, drückenden Herrschaft freizukommen. Der erstarrte Stein liegt als schwere Schicht in dem Menschen, und es gibt keinen anderen Weg davon freizukommen als durch Befreiung des Steines.

Bei einigen der „Poetischen Skulpturen“ bildet ein vom Menschen nicht bearbeiteter Stein die Grundlage für die Gesamtgestaltung. Von Arbeit zu Arbeit hat dieses Steinfundament an Bedeutung für die Skulptur gewonnen. Eines Tages stellte sich dann sogar die Frage, ob nicht vielleicht der Stein an sich schon ein Kunstwerk darstellt? Ob er nicht - obwohl einfach aufgelesen - mindestens ebenso sorgfältig und phantasievoll gearbeitet ist, wie die ihn krönende Stahlarbeit? Ist nicht sogar die „Technologie“ der Stahlherstellung weniger Komplex als die „Fertigung“ mit der der natürliche Stein aufgebaut wurde?
Reflektionen dieser Art kamen beim Betrachten und Verarbeiten der Steine während der Skulpturherstellung auf.
Ist so ein Stein nicht ein verzaubertes Buch?
Gibt uns das Alte Testament die erzählten Aufzeichnungen der menschlichen Entwicklung wieder, so besitzen wir in den Steinen Erzählungen aus Zeiten, in denen der Mensch die Oberfläche der Erde noch nicht betreten hatte. Die Steine erzählen vom Lebenslauf der Erde. Und in diesem Lebenslauf gab es Zeiten, in denen Mensch und Stein noch nicht von einander gesondert waren.
Jenseits des naturwissenschaftlichen Modells eines Urknalls, dessen Folge die Materie war und der vor 15 Milliarden Jahren stattfand, können auch andere Vorstellungen entwickelt werden, die mindestens die gleiche Realitätswahrscheinlichkeit haben.
Kurz ausgeführt, behaupten die Vertreter der Urknalltheorie, dass nach dem Knall der herumfliegende Staub der Explosion die Sterne bildete. Eine Staubwolke - ein paar Milliarden Jahre später - verdichtete sich, begann sich zu drehen, und wurde zur Erde. In 4,6 Milliarden Jahren entwickelte sich aus dieser toten Staubwolke in einer Zufallsevolution die heutige Erde mit ihren Bewohnern.

Es kann der Stein, wenn man seine Sprache kennt, über sein Geschaffensein in anderer Form berichten:
Bei jeder Schöpfung, in jedem Schaffensprozess ist die Grundlage eine geistige Idee ... wie soll sonst anderes als Chaos entstehen. So ist auch aus einer göttlich-geistigen Idee heraus der Kosmos, die Erde und das Leben geschaffen worden. Etwas sinnvoll Geschaffenes kann nur aus einem geistigen Potential entstanden sein, also nur durch Schöpfertum verwirklicht worden sein.
Oder philosophisch ausgedrückt: Welt entsteht aus Wille und Vorstellung.
In diesen komplexen Schaffensprozessen, in denen sich der Kosmos noch immer befindet, und in denen die Menschheit selbst mittlerweile schöpferisch-schaffend eingreift, gab es zu einem bestimmten vergangenen Zeitabschnitt eine lebendige Gesamtheit unserer Erde. Die Erde war ein lebendiger Weltenkörper - vergleichbar mit einer Art Pflanze -, in dem Weltenweisheit sich entwickelte.
Es war in einem hohen,umfassenden Sinne die Mutter Erde.
Mehr und mehr individualisierte sich dieses Leben. Der Gesamtorganismus opferte sich, um unvorstellbar viele Einzelorganismen und Einzelleben zu erzeugen und ihnen Lebensmöglichkeiten zu bieten. Diese Lebensumstrukturierung brachte nach und nach die Pflanzen, Tiere und Menschen in unfassbar weisheitsvollen Arten hervor. Das Gestein schied sich absterbend aus. Anfangs verhärteten sich die Steine magmatisch, ohne eine kristalline Struktur zu bilden. Man könnte es als Verhornungen bezeichnen, als einen lebendigen Prozess der Verhärtung. Die Basalte, zu denen auch der Diabas gehört, schlugen sich nieder aus einer lebendigen feurig-flüssig-gasigen Substanz. In dieser Zeit fand ein epochales Ereignis statt: Eine riesige Menge dieser verhornenden, verglasenden Massen wurden aus der Erde herausgeschleudert. Es entstand der Mond. Dieses Ereignis gab der Erde nicht nur ein neues Gesicht, auch innerlich fand eine Verwandlung statt. Durch die Ausscheidung der schwerebildenden Massen wurden Aufrichtekraft und Bildsamkeit möglich und bildeten die Grundlage für sich höher entwickelnde Einzelleben. Die Minerale begannen zu kristallisieren, Pflanzen, Tiere und Menschen konnten weiche, bildsame Körper bilden.
Vergingen die frühen weichen Organismen fast ohne eine Spur zu hinterlassen, so ist uns die mineralische Welt, die Gesteinswelt geblieben. Und in ihr finden wir als Fossilien die Zeugnisse früher Vegetation und Fauna.


Steinbruch im Hochsauerland. Hier
wurde der Stein für die Skulptur gefunden

Wenn wir unseren Diabas mit seinen Kalkspatkristallen anschauen, könnte man folgendes zu seiner Entstehungsgeschichte sagen:
Im Devon, also im Erdaltertum, gab es im Hochsauerland, wo der Stein gefunden wurde, einen tiefen Bruch in der Erdkruste, aus dem basaltische Massen sich über die Erdoberflache ergossen. Die Luft war damals noch geschwängert von Flüssigkeit. Der wasserfrei heraufgekommene Basalt wandelt seine Substanz in der neuen wässirgen Umgebung in andere Minerale um. So wird aus dem schwarzen Augit die dunkelgrüne Hornblende. Aus dem Feldspat sondert sich der Kalkspat auch Calcit genannt. Der Diabas zieht sich in der an der Oberfläche der Erde herrschenden relativen Kühle zusammen und reißt in Klüften auf. Der sich sondernde Kalkspat fließt in die Klüfte ein. Dort wo größere Hohlräume entstanden sind, vermag der Kalkspat seine schönen Kristalle auszubilden. Es entstehen die trigonalen Rhomboeder. Aus der Hornblende sondert sich das Eisen. Es nimmt Wasser auf und wird zum Brauneisen, das sehr gut am Stein zu erkennen ist.

Trotz des Interpretationsversuches verbleiben viele Geheimnisse in unserem Diabas. Goethe hat das in Wilhelm Meisters Wanderjahre unübertrefflich ausgedrückt:
„Steine sind stumme Lehrer, sie machen den Beobachter stumm, und das Beste, was man von ihnen lernt, ist nicht mitzuteilen.“

In alten Kulturen und Religionen wusste man noch von der Bedeutsamkeit der Steine. In den alttestamentalischen Erzählungen z. B. spielen Steine manchmal eine Schlüsselrolle. Denken wir an Jakob, der, als Gott ihm im Traum die Verheißung seines Geschlechtes übermittelte, seinen Kopf auf einen Stein gelegt hatte. Jakob erkannte an diesem Stein, dass er sich an einer heiligen Stätte befand. „Wie heilig ist diese Stätte! Hier ist nichts anderes als Gottes Haus und hier ist die Pforte des Himmels.“ Und Jakob stand früh am Morgen auf und nahm den Stein, den er zu seinen Häupten gelegt hatte und richtete ihn auf zu einem Steinmal und goss Öl oben darauf und nannte die Stätte Bethel (Das Haus Gottes); vorher aber hieß die Statt Lus.

 

Zurück zur Übersicht der Skulpturen

 

----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Nikolaj Berdiajew, Der Sinn des Schaffens, Seite 69, Verlag J. C. B. Mohr, Tübingen 1927

Das Alte Testament

 

 

ÖffnungszeitenAnfahrtBotanischer GartenPressestimmenGästebuchImpressum